Schweizer Premiere des Berliner GlasBlasSing Quintetts mit dem Programm „Volle Pulle“
Veranstaltungendaten
Datum: 28. Februar 2016
Zeit: 20:00 Uhr
Ort: Löwen Meilen
Ein Hauch von Karneval lag über dem prall gefüllten Jürg Wille Saal des Meilemer Leuen am vergangenen Freitagabend. Angekündigt als eine europaweit einzigartige Mischung aus Tuten und Blasen, erwies sich die Schweizer Premiere des neuen Programms des GlasBlasSing Quintetts als ein äusserst gelungener Auftakt der neuen Mittwochgesellschaft-Spielzeit unter dem Motto „Showtime“.
Star des Abends: leere Flaschen! Tosender Applaus und ein vor Vergnügen mit den Füssen stampfendes Publikum. Frenetischer Beifall für die opulenten musikalischen Möglichkeiten auf leeren Flaschen an sich und in jeder nur erdenklichen Bau- und Machart. Dicke-dünne-grosse-kleine-bauchige-schmale-grüne-braune Flaschen verzauberten ein Publikum, für das leere Flaschen im Haushalt mehr Ärgernis als Freude verkörpern, geschweige denn bisher als umjubelte Stars und Mittelpunkt eines musikalisch hervorragenden Abends vorstellbar waren. Doch Skeptiker wurden eines besseren belehrt. „Volle Pulle – Flaschenmusik in XXL“ hiess dieser überraschende musikalische Import aus Berlin-Friedrichshain, der die im Alltag oft beschimpfte und mit Missachtung gestrafte leere Flasche goss rausbrachte. Fünf Musikerfreunde aus Kindertagen gaben ihren erfolgreichen Einstand in Meilen auf Einladung der Mittwochgesellschaft.
Geboten wurde ein virtuoses musikalisches Feuerwerk. Überraschendes Recyling vom Feinsten. Scheinbar aus dem Nichts entfaltete sich ein musikakrobatischer Leckerbissen der Sonderklasse, dargeboten auf Händen und Füssen mit den erstaunlichsten musikalischen Finessen die Zunge und Daumen so herzugeben vermögen, ohne zu zerbrechen, entlockt dem Leergut in XS und XXL Format.
Alle nur erdenklichen Geräusche die der menschliche Mund zu erzeugen im Stande ist, brachten das -den EU-Standards entsprechende Leergut- zum Klingen, erzeugten unerwarteten Wohlklang. Wahr gewordene Männerphantasien auf eigens dafür kreierten und selbstgebastelten Musikinstrumenten Marke Eigenbau. So manche Anregung hierfür gaben faszinierte Besucher früherer Konzerte. Der Männer Handwerkskunst, ihrem Einfallsreichtum und Hobbybastlerkönnen sind bekanntlich keine Grenzen gesetzt. Nichts schien an diesem Abend musikalisch auf-in-mit- an oder gar als Flasche unmöglich oder gar abwegig genug, um es nicht zu Gehör zu bringen. PET-Flaschen jaulten auf wie die Elektrogitarren unserer musikalischen Helden, Panflöten- und Pianoklänge an und auf der Flasche erklangen genauso vollmundig und saftig wie die Drums an der Drucksprühflasche aus dem heimischen OBI. Unglaublich was man einem scheinbar nutzlosem Leergut auf dem Weg zur Leergutannahmestelle noch so alles an Tönen und Rhythmen entlocken kann.
Das Publikum frohlockte zum Säbeltanz von Aram Chatschaturian, vorgetragen in Schwindel erregendem Tempo. W.A. Mozarts Türkischer Marsch aufgeführt als teuflisch flinkes Daumenballett in Stakkato – dargeboten an der Flasche! Die zuvor sorgfältig befeuchteten Daumen floppten und fluppten nur so aus den Flaschenhälsen, dass man es mit der Angst zu tun bekam und schon mal nach dem Sanitäter Ausschau hielt.
Musikalische Persiflagen auf 20iger Jahre Melodien wie „Meine kleine grüne Flasche“ gehörten genauso zum Repertoire des Abends wie die Songs der Band The Champs „Tequila“ und die von Elvis Presley „All Shook Up“. So wippte das Publikum gleichermassen erregt zu Giorgio Moroder „Chase“, Jean Michel Jarres „Oxygen“ und Frederick Mercury „Bohemian Rhapsody“. Die musikalische Vielfalt des Abends war spektakulär und machte vor keinem musikalischen Klassiker Halt. Das auf PET- und Bierflaschen dargebotene Klanggut reichte von Klassik über Jazzstandards bis zu Rock-Pop Legenden, aber selbst nachdenkliche Balladen zu heutigen Themen aufgeführt als Eigenkompositionen von Andreas Leupert, fehlten nicht an diesem fulminant aufblitzenden Abend.
Die Spielfreude und der komödiantische Auftritt der fünf Schulfreude begeisterten ebenso, wie das musikalische Repertoire. Knapp 10 Stunden Anfahrt lagen hinter den Musiker, die sich in Halberstadt im Ostharz beim gemeinsamen Musizieren kennengelernt haben. Per Zufall kamen sie dann auf die leere Flasche als musikalisches Markenzeichen. Begonnen hatte alles als Strassenmusik in der Heldenstadt Leipzig. Ihr so zufällig entdecktes Talent brachte auch einen professionellen Agenten zum Schwärmen, der sie dann ermunterte sich musikalisch auf die Flasche zu spezialisieren und sie bis heute erfolgreich promotet. Die Spiellust und Spontanität ihrer Anfangsjahre spürt man noch heute. Erwachsene Männer die ihren kindlichen Spiel- und Basteltrieb gleichermassen lustvoll auf offener Bühne ausleben und sich selbst dabei herrlich auf die Schippe nehmen können. Das steckt an. Wie gesagt, der Saal tobte und keine leere Flasche, die nicht das Zeug zum grossen Bühnenstar in sich trägt.